Hubert Reeves, Einarbeitung in die mikroskopische Praxis, Menschen in einer Ausstellung

Ich habe damit begonnen meine im letzten Beitrag genannte Literaturliste abzuarbeiten und wählte für den Einstieg "Schmetterlinge und Galaxien. Kosmologische Streifzüge" von Hubert Reeves (hier: dtv, ungekürzte Ausgabe 1994). Monsieur Reeves (ein gebürtiger Kanadier; er lebt aber seit vielen Jahren in Frankreich) ist seines Zeichens Astrophysiker und da ich mich daran erinnerte, vor einigen Jahren "Eine kurze Geschichte der Zeit" von Stephen Hawking begonnen und nach wenigen Kapiteln das Buch, mit dem Gefühl ein dummer Mensch zu sein, wieder weggelegt zu haben, ging ich mit einigem Respekt an die Gedanken von Hubert Reeves heran. Nun lässt der deutsche Titel des Buches eigentlich auf keine direkte Relevanz zum Thema der Naturbetrachtung schließen, der französische Originaltitel "Malicorne. Réflexions d'un observateur de la nature" klang dagegen weitaus vielversprechender, weshalb ich mich schlussendlich doch dafür entschied. Dankenswerterweise mutet Reeves dem Leser keine einzige physikalische Formel zu. Im Prinzip wird in diesem Buch Gott und die Welt erklärt, darum möchte ich mich hier, in dieser kleinen Rekapitulation, auf den für meine eigene Arbeit relevantesten Abschnitt (Kapitel 8) beschränken, "Der Schöpfer des achten Tages", in welchem die Position des Künstlers der Natur gegenüber diskutiert wird. Zusammengefasst lautet die Aussage hier: Der Mensch, im Besonderen aber der Künstler, ist ein selbstverständlicher Teil der Natur, der ihr nicht etwa konträr gegenübersteht oder sie lediglich betrachtet, sondern ihren "Willen", ihre Ideen aus- bzw. weiterführt. Dem Menschen ist in diesem Sinne sozusagen eine Spitzenposition von der Natur zugedacht worden, um sie erweitert zu wirken. Reeves personifiziert die Natur also regelrecht, schreibt ihr einen eigenen Willen zu und lässt sie "spielen", durch sich selbst und im Besonderen durch den Menschen. In meinem Beitrag vom 07. September 2021 hatte ich den Gedanken formuliert, dass der Mensch vielleicht Natur sei, die sich selbst betrachtet. Dieser Gedanke, würde Reeves zufolge also noch nicht weit genug gehen... allerdings vermerkt er in einer (in meinen Augen sehr wichtigen) Fußnote, dass, um den menschlichen Platz in der Natur zu verorten, es dennoch hilfreich sei, den Menschen im Rahmen eines untersuchenden Gedankens, zumindest temporär von der Natur isoliert zu betrachten, bevor er zum Abschluss dorthin wieder zurückzuversetzen sei. Das finde ich nun also interessant, dass selbst ein Verfechter der "einen Natur", das Menschliche darin eingeordnet sieht, es aber holistisch dann doch nicht völlig erdacht werden kann. Reeves verwendet für den natürlichen Menschen die Begriffe des "Arbeiters" und des "Spielenden" äquivalent, was ich als problematisch empfinde, da hierbei doch ein deutlicher qualitativer Unterschied im (schöpferischen) Freiraum besteht. Die Natur als großen Organismus mit eigenem Willen zu betrachten, der uns hervorgebracht hat und dessen wir ein Teil sind, würde ich unbedingt unterstreichen wollen, doch glaube ich nicht recht daran, wie Reeves es sieht, dass wir das "Werk" der Natur fast freier als sie "im Traditionellen" selbst wirken und weiterführen, vielmehr meine ich, dass sie sich durch uns selbst rezipiert. Das wäre mein eigener Ansatz zu erklären, wie wir Natur sind, ihr entstammen, das Prinzip ihrer Mittel vetreten und dennoch von ihr isoliert zu betrachten sind. Der Mensch ist als Teil der Natur in der Lage natürlich zu handeln. Wir können als Teil der Natur über uns philosophieren, warum also sollte die Natur nicht über sich durch uns philosophieren können? In diesem Zusammenhang kann man schließlich zum Begriff der natürlichen Abstraktion übertreten und spätestens da möchte ich empfehlen das Buch von Hubert Reeves selbst zu lesen, das auf es auf erstaunlich wenigen Seiten schafft, sehr viele wertvolle Denkanstöße zu vermitteln.


In praktischer Hinsicht: Ich arbeite weiterhin daran, mich in das Thema "Mikroskopie" als solches einzulesen, welches sich zuletzt als außerordentlich umfangreich entpuppte. So schön und erfüllend die Beschäftigung und das Sammeln von Praxiserfahrung auf diesem Gebiet auch ist, so ist es doch zu Anfang ein etwas zermürbender Weg, bis man sich die umfangreiche (hauptsächlich aus Kleinteilen und Substanzen bestehende) Grundausrüstung zusammen gesammelt hat. Aus diesem Grund konnte ich bis dato leider auch noch keine Dauerpräparate von Mikrotomschnitten anfertigen, wie ich es eigentlich vor hatte. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass die Mikroskopie ein Betätigungsfeld für Menschen mit großer Geduld ist... ich werde mich in beidem weiter üben. Das technische Equipment zumindest habe ich mit dem jüngsten Kauf eines guten kontraststarken PC-Bildschirms, an den sich meine Kamera via HDMI-Kabel direkt anschließen lässt, nun komplettiert. Auf diese Weise konnte ich immerhin schonmal eine kleine Reihe von Testaufnahmen machen; eine Auswahl davon ist unter diesem Beitrag zu sehen. Die Fotos wurden stellenweise nachbearbeitet, teilweise um die Schärfe etwas nachzujustieren oder aber auch um hier und da ungewünschte Farbsäume durch aufgetretene chromatische Abberation zu kompensieren. Auch wenn ich dabei also noch nicht ganz professionell unterwegs bin: Es macht Freude sich mit der Natur zu beschäftigen und wenn ich diese Freude eines Tages über meine Fotografien an den Rezipienten weitergeben kann, dann habe ich alles erreicht, was es über den künstlerischen Aspekt hinaus zu wünschen gab. Was konkret auf den Mikro-Fotos zu sehen ist, will ich zu Anfang wenigstens noch unausgesprochen lassen, um erstmal nur ihrer Farbe und Form Vorrang zu geben und sich hierüber in dieser sehr kleinen eigenen Welt einzufinden. An den dekadenten Umstand gewöhnt, dass die digitale Schnittstelle an "normalen" Kameraobjektiven sämtliche EXIF-Daten an die Bilddateien anhängt, habe ich es leider versäumt, mir bei den ersten mikroskopischen Fotos den jeweiligen Vergrößerungsfaktor zu notieren, was vielleicht doch recht interessant gewesen wäre. Man verzeihe mir hier bitte die Anfängerfehler.


Meine Ausstellung "Praxisnaher Leichtsinn" im Weytterturm Straubing läuft nun bereits einige Zeit und ich bekomme positive Rückmeldung von den Besuchern. Natürlich nicht nur positive, sonst wäre es ja auch langweilig... Ich habe dabei die Beobachtung gemacht, dass sich die Interessenten mit erstaunlicher Deutlichkeit in zwei Gruppen einteilen lassen: Jene, die sich in die Thematik eindenken wollen und dafür Zeit zu investieren bereit sind und jene, die jegliche gedankliche Eigenleistung in der Rezeption strikt ablehnen. Die letztere Gruppe spurtet durch die Räume. Es wäre unglaubwürdig, wenn ich behauptete, dass ich für die Spurtenden Verständnis habe, aber interessant ist es dennoch. Ich habe mir von drei, in ganz verschiedenen Bereichen arbeitenden Personen, bereits im Vorfeld der Ausstellung erklären lassen, dass die Bereitschaft sich Wissen aufmerksam selbst zu erarbeiten, in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist und das ist, mit knappen Worten: Ziemlich schlimm. ...man sollte aber auch nie vergessen, sich selbst an der Nase zu fassen...

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