Repetitionen, Eine Kultur der Natur, Malerische Mikrofotografie

Der Umstand, dass nachgeschärfte Fotografien von Wolkenformationen wie Gebirgszüge wirken können, ließ mich weiter grübeln. Irgendwo hat man -man meint ja die Natur zu kennen- das selbstverständliche Gefühl, dass die Natur ihre Formen wiederholt. Eine Baumrinde hat Ähnlichkeiten mit Gesteinsformationen. Schnee und Sand bilden beide feinkörnige, tendenziell ebene Flächen. Stille Wasseroberflächen ähneln den Oberflächen mancher Kristalle, usw. Der große gemeinsame Nenner erschließt sich mir jedoch nicht; er wird auch nicht im Formalen zu finden, vielmehr aber in dem Umstand begründet sein, dass ich die Position des Betrachters einnehme und einen Leitgedanken mir nur wünsche oder vermute. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass der Gedanke allein die Plattform stellt und das "große Ganze der Natur, die Natur" in der Physis fiktiv ist. Da ja nun mal alle Wirklichkeit unsere Vorstellung davon ist, was wirklich wurde, als wir es wahrnahmen, mag auch die Summe dessen, was wir Natur nennen, ein Gedanke allein sein, der die Realität nicht vorleisten kann, weil sie es nicht muss. Es kann eine große Gnade bedeuten, dass wir unsere Wirklichkeit kennen und von der Realität nurmehr ihren Begriff erwägen, fast so als würden wir in einem Buch leben, das erzählt, aber auch verschweigt. Die Wirklichkeit ist also Sache der Person und somit bin ich wieder an eben diesem Punkt angelangt: Ich suche nach meiner Natur, was bedeutet, weiter auswählen zu müssen. Ich frage mich, was die Naturwissenschaft am Ende finden wird, wenn wir uns doch nicht darüber einig sind, was Natur bedeutet und damit keine Kernhypothese als Ausgangspunkt für die Forschung gestellt werden konnte. Tragisch und sympathisch, wenn man bedenkt, dass ja auch die Kunst voll heiliger Zuversicht ins Blaue hinein agiert und ein Puzzle ohne Ränder zusammensetzt.


Ich hatte mir bereits darüber Gedanken gemacht, was Kultur ist. Da wir der Annahme halber deren Urheber sind, mag es vielleicht einfacher sein, sich über sie klar zu werden und zu behaupten, Natur sei schließlich alles andere. Um diesen Vorgang aufs Höchstmögliche zu komplizieren, denke ich daran, wie es wohl aussähe, wenn die Natur ihre eigene Kultur hätte. Die menschliche Kultur benötigt die Mittel der Natur, um sie umzusetzen; die Natur könnte also auch ihre eigenen Mittel einsetzen, um ihre eigene Kultur zu schaffen. Vielleicht ist es auch so, vielleicht ist die Evolution natürliche Kulturgeschichte. Der Natur einen Willen und dessen Notwendigkeit hierfür zu- oder abzusprechen, ist in meinen Augen menschlicher Hochmut, sind wir doch immer noch Teil von ihr und unser eigener Wille in den letzten Jahren stark in Zweifel geraten. Sind wir also selbst Natur und stellt die Hirnforschung, also die Naturwissenschaft, also Kultur in Form der Wissenschaften, fest, dass unser freier Wille, der uns von der Natur trennen sollte, nicht existiert und dass uns die, unsere, Natur selbst antreibt, dann haben wir uns Glück und Furcht und Gewissheit behalten. Diese Ansicht ist bei Belieben gerne auf das Verschiedenste zu prüfen, aber ich möchte darauf hinweisen, dass ich Künstler und kein Philosoph bin. Gott sei Dank. Vielleicht sind wir Natur, die sich betrachtet. Das fände ich persönlich sehr schön.


In praktischer Hinsicht: Ich beginne an diesem Punkt zusätzlich mit der Mikrofotografie als logische Konsequenz. Wenn die Frage derart groß ist, lohnt es sich stehen zu bleiben und etwas Kleines zu betrachten. (Soviel Lebensweisheit konnte ich mir bis dato immerhin zusammenkratzen...) Zu diesem Zweck habe ich einen Grundstock an Ausrüstung bestellt: Ein für meinen Zweck ausreichend gutes Bresser-Mikroskop, einen Kamera-Adapter hierfür und eine Handvoll Objektträger. Ich lese mich zum technischen Aspekt noch etwas ein, die Universität Wien hat eine schöne Anleitung zum Herstellen von Dauerpräparaten online gestellt, alles andere ist wie immer Learning-by-doing. Die Entscheidung, diese Art der Fotografie ab sofort in den Prozess miteinzubinden, wirkt auf den ersten Blick vielleicht etwas exzentrisch, aber ich habe mich bislang immer auf meine Intuition im künstlerischen Prozess verlassen.


Ich verwende in meiner Malerei-Serie "Einfache Dinge" wiederkehrende Grundformen, die ich seit mittlerweile zehn Jahren ungebrochen einsetze. Nicht einem stringenten System folgend, wie es Kandinsky vertrat, sondern in eher lockerer Selbstverständlichkeit. Zum einen fiel mir relativ spät erst auf, wie groß die Ähnlichkeit zwischen diesen Formen und der von Mikroorganismen, Blattzellen etc. sind, zum anderen sagen mir Rezipienten gerne, diese Bilder wirkten auf sie "organisch". Ich denke man könnte hier einen Bezug sehen.


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