Kleiner Paradigmenwechsel aus der Not heraus, Graphisches Wetter

Es regnet und regnet und hört zu regnen auch nicht auf. Sooft ich in den letzten beiden Wochen meine Ausrüstung fertig gepackt hatte, fiel der nächste Platzregen vom Himmel. Das kann frustrierend sein... Aus diesem Umstand heraus und weil die Wolken nunmal auf das Renitenteste nicht vom Himmel verschwinden wollten, habe ich kurzerhand beschlossen, mich mit den selbigen zu beschäftigen. Ich blieb also "unterm Dach" und fotografierte von da aus mit dem Teleobjektiv.


Der Kerngedanke war zu Beginn derselbe wie bereits in den letzten beiden Einträgen: Die Suche nach den Farben der Natur. Und wie auch in den letzten beiden Einträgen, wollte ich das Motiv unfokussiert aufnehmen, um -es wurde bereits beschrieben- das Augenmerk auf die Farbe selbst zu lenken. Es klingt an dieser Stelle vielleicht danach, als würde ein kleines Kind eine sehr einfache Gegebenheit in der Welt begreifen lernen, aber es fiel mir beim Fotografieren erst als solches auf: Wolken sind zu 90% "unscharf". Der Autofokus sieht das im Übrigen genauso, denn er arbeitete in diesem Falle -wenn er es überhaupt tat- reichlich unzuverlässig. Wenn man auch bei Gewitterwolken, den Cumuli, durch ihre höhere Dichte durchaus von einer klar umrissenen Körperlichkeit sprechen kann, so sind die alltäglicheren Stratus- und Cirruswolken in der Wahrnehmung doch eher immateriell, wenn sie, wie im Fall der Stratuswolken, nicht nach einigen Herbstwochen sogar als Atmosphäre selbst wahrgenommen werden und darüber ihre solitäre Dinglichkeit verlieren. Es lohnt sich also auch "das Wetter" in den Pool der Naturfotografie mitaufzunehmen und sich Gedanken hierzu zu machen.


Bei der Nachbearbeitung der Fotos in GIMP bekam ich Lust zu experimentieren: Wie würde die Verfremdung durch Unschärfe ins Gegenteil umgekehrt wirken, wie also würde eine "geschärfte" Wolke aussehen? Die Ergebnisse waren tatsächlich recht verblüffend! Ich fühlte mich an Luftaufnahmen von Gebirgen erinnert. Um diesen Effekt zu verstärken, probierte ich mal diese, mal jene technische Möglichkeit des Programmes aus und endete schließlich damit, die Fotografien um 180 Grad zu drehen, den Kontrast zu verstärken, die Helligkeit und die Sättigung der wärmeren Farbtöne kanalspezifisch zu reduzieren, und schließlich die Fotos in Schwarzweiß umzuwandeln (zu "entsättigen", wie GIMP das nennt.) Durch das digitale Schärfen entstand zusätzlich ein starkes Rauschen, wie man es eigentlich nur bei ISO-Werten von 6400 oder darüber kennt. Die Farben, die die Fotos vor der Umwandlung in SW aufwiesen, waren durch die starke Beeinflussung der zuvor verwendeten Filter und Belichtungskorrekturen derart verfremdet, dass von natureigenen Farben nicht mehr zu sprechen war. Ich entschied mich daher dafür, durch das Entsättigen, den Fokus auf die hochinteressanten Strukturen zu legen. In meinen Augen entstand dadurch in gewisser Weise auch eine graphische Qualität, wobei vor allem die starke Körnung an die Aquatinta erinnert. Hohe Körnung als Stilmittel auch bei zukünftigen Versuchen im Hinterkopf zu behalten, kann ich mir sehr gut vorstellen.


Die bisherigen Ergebnisse rechtfertigen es noch nicht, über die wiederkehrenden Strukturen der Naturphänomene eine individuelle Aussage zu treffen, aber ich bin einen kleinen Schritt näher an "meiner Natur".


Ein Hinweis zum Schluss: Auf die Angabe der technischen Spezifikationen zu den einzelnen Aufnahmen verzichte ich in diesem Falle, da diese durch die starke Bearbeitung keine relevanten Aussagen mehr liefern würden. Der Brennweitenbereich liegt zwischen 200 und 300mm.


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