Ein Umdenken in der Herangehensweise und erste Fotografien

Ich verbrachte nun einige Tage damit, mir einen Überblick über die Aussagen und Ansichten historischer wie zeitgenössischer Naturphilosophen zu verschaffen und komme zu diesem Zwischenergebnis: Es herrscht Uneinigkeit um den Begriff der Natur selbst, es herrscht Uneinigkeit um das Wie, das Was und das Weshalb. Natur könne Alles sein, es müsse das Alles sein, es gibt keine Natur, es gibt nur den Menschen, die Natur ist aus dem Menschen heraus, der Mensch ist die einzige Natur und in Form des Anthropozäns ihr Herr und neues Schicksal. Wo die klassische antike Philosophie noch nachvollziehbare Gedanken um den Naturbegriff formulierte, konnte ich als Laie bei den späteren Verfassern nurmehr ziellose Streiterei um Semantik und ein Sichverlieren in den alltertiefsten Grundlagen herauslesen. Worin sich jedoch nahezu alle Autoren einig zu sein scheinen, ist die Ansicht, die Natur habe grundsätzlich das Gegenteil der Kultur darzustellen, wobei vor allem die antike Gedankenwelt den Begriff der "Kultur" wie ein Gütesiegel behandelte und dieses nicht leichtfertig vergab.


An dieser Stelle muss ich ehrlich sein: Sich mit allen diesen Positionen gleichermaßen intensiv zu befassen ist völlig ausgeschlossen. Allerspätestens dann, wenn die Argumentation eine fundierte Kenntnis von Quantenmechanik voraussetzt, weiß ich, dass ich am falschen Punkte angelangt bin. Überhaupt dann, wenn sich die Schnittstelle zwischen Naturphilosphie und Naturwissenschaft auftut -was erstaunlich häufig der Fall zu sein scheint- fehlt mir zum einen das Wissen, das zur Nachvollziehbarkeit dieser Gedanken vorauszusetzen ist, zum anderen hätte die Bezugnahme hierauf durch die Kunst eine Instrumentalisierung für sie zur Folge. Sie hätte nurmehr die Aufgabe eines Bildschirmes, auf dem Zahlen präsentiert würden, aber keine Möglichkeit zur eigenen Mitwirkung. Die für meine persönliche Arbeit um dieses Projekt herum jedoch wichtigste bisherige Erkenntnis ist die, dass ich regelrecht verärgert darauf reagiere, wenn man sich den Dingen dieser Welt,
ausschließlich mit kalter Berechnung und Logik annähert. Meine Überzeugung, die Kunst habe die Kraft zur autarken Aussage und damit eine vollwertige Gleichberechtigung anderen "Disziplinen" gegenüber, scheint also intakt und das beruhigt und freut mich sehr. Wenn es vor diesem Hintergrund auch nachwievor legitim scheint, sich in der Kunst auf die Philosophie und Wissenschaft als solche zu beziehen, sollte sie sich jedoch nicht damit zufrieden geben, diese lediglich zu illustrieren.


Unterm Strich bedeutet das, ich werde einen sehr eigenen Zugang zum Naturbegriff finden, wobei mir die in der Vergangenheit bereits geäußerte Idee, es gebe gar keine solitäre, einzige Natur trotzdem ein sympathischer Grundgedanke scheint, auf dem sich fotografisch aufbauen lassen könnte. Zumal es der Fotografie als solcher äußerst nahe liegt, das Wesen der Natur als einzeln zu behandelnde Fälle des Blickwinkelcharakters zu behandeln. Das wird womöglich die Schwierigkeit sein: Meinen persönlichen gedanklichen Blickwinkel auf die Natur mit dem technischen Blickwinkel einer Fotografie in Einklang zu bringen. Das mag sich recht lapidar anhören, aber da ich es aus der ungegenständlichen Malerei heraus gewohnt bin, meine Gedanken denkbar frei -im und durch das Medium direkt- als Bild umzusetzen, wird dieses Umdenken sicherlich nicht von jetzt auf gleich zu bewerkstelligen sein. Und es entsteht hieraus auch diese Gefahr: Der wunderbaren Möglichkeit des Findens durch die Fotografie, ihr das alleinige Suchen mit ihr, überzuordnen.


In praktischer Hinsicht: Bezüglich des letzten Satzes habe ich mir die Freiheit genommen und war die letzten Tage in nahezu kindlicher Unbekümmertheit im Freien unterwegs und habe fotografiert, was ich als Natur verstand und in seinem Wirken interessiert fand. Das ist es, was ich bereits an anderer Stelle praxisnahen positiven Leichtsinn nannte.


In diesem, wie auch in den folgenden Beiträgen, werde ich die entstandenen Fotos jeweils mit ihren wichtigsten Daten versehen, um neben den inhaltlich-bildnerischen auch die technischen Entscheidungen nicht unberücksichtigt zu lassen.


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