Totpunkt, Astronomie, John Dobson, NKV Regensburg

Es nieselt, regnet, schneit und stürmt seit nunmehr drei Wochen. Zum einen ergibt sich für mich dadurch das Problem, dass es außer nassen Wiesen und grauem Himmel nichts zu fotografieren gibt. Zum anderen bin ich mit meiner geliebten Fotoausrüstung grundsätzlich auf dem Fahrrad unterwegs, wodurch ich permanent einen irreversiblen Wasserschaden an der Kamera riskieren würde... es ist wohl nicht weiter zu erwähnen, dass sich die aktuelle Situation hierdurch als recht frustrierend erweist, zumal mir dir Decke ohnehin schnell auf den Kopf fällt. Diese Zwangspause entspricht nun zwar voll und ganz dem Rhytmus der Jahreszeiten und der Natur selbst, da ja Flora und Fauna bekanntermaßen im Winter auch nur das baldige Frühjahr erwarten, allerdings fühlt es sich, die Entwicklung des Fotoprojekts betreffend, ein wenig wie ein toter Punkt für mich an, da ich innerhalb von künstlerischen Projekten zu lange Pausen als störend empfinde. Hilft aber alles nicht.


Um nun aber nicht vollends zu versauern, habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich um des Projektes willen, trotzdem weiter arbeiten könne und kam infolgedessen auf die Astronomie. Als es in grauen, präpandemischen Vorzeiten noch Flohmärkte gab, habe ich mit großem Enthusiasmus Astronomiebücher sowie Stern- und Mondkarten aufgekauft, nicht etwa deswegen, weil mich das Thema zu dieser Zeit bereits akut interessiert hätte, sondern einfach nur weil ich die Disziplin als solche immer als eine der schönsten empfand. Man kann wohl kaum leugnen, dass von der Sternbeobachtung eine große Faszination und Romantik ausgeht. (Man denke nur an die vielen, oft peinlichen Filmszenen, in denen sich verliebte Protagonisten Sternbilder erklären...) Ganz unromantisch lässt sich feststellen, dass die Astronomie bereits in der antiken Welt (Babylonien, Ägypten, China, etc.) intensiv "betrieben" wurde (wenn auch sehr häufig mit massiver astrologischer Auslegung) und darum zweifelsohne auch heute noch ein berechtigtes Interessensgebiet für den naturwissenschaftlich Interessierten darstellt. Ein Teleskop musste her. Ich habe also nun einige Tage damit verbracht, den Unterschied zwischen den Begriffen Reflektor, Refraktor, Schmidt-Cassegrain, Dobson, azimutaler sowie parallaktischer Montierung etc. zu begreifen und mich schlussendlich dazu entschlossen, einen Newton-Reflektor mit Dobson-Montierung zu kaufen. Zugegebenermaßen eine teuere Anschaffung, zumal die Mittel des Stipendiums zwischenzeitlich aufgebraucht sind, aber auch eine, die ich nicht bereue. (Gerade, weil man sich dabei gerne vor Augen hält, für welchen blanken Unsinn die Leute sonst ihr Geld ausgeben...) Man könnte hier nun natürlich sehr lange über die verschiedenen Bauformen von Teleskopen sprechen, dies würde aber den Rahmen sprengen. Der wichtigste zu begreifende Fakt ist wohl der Unterschied zwischen einem Refraktor (also einem Linsenteleskop) und einem Reflektor (einem Spiegelteleskop). Reflektoren sind in der Anschaffung deutlich günstiger, da die Herstellung von Spiegeln technisch gesehen um vieles simpler vonstatten geht als das Schleifen von Linsen, vor allem bei größeren Durchmessern. Durch die Möglichkeit also, Teleskope mit Spiegeln großen Durchmessers auszustatten, ist dem Objektiv ein hohes Lichtsammelvermögen möglich. (Das Wort "Objektiv" wirkt hier irreführend, weil man dabei schnell das Bild eines Kameraobjektivs vor Augen hat, aber technisch gesehen ist ein Teleskop tatsächlich auch nichts anderes, nur eben um einiges größer.) Das beste Gerät ist natürlich nichts wert, wenn man nicht weiß, wie es bedient wird bzw. was man eigentlich damit zu sehen erhofft, weswegen ich eine Handvoll aktueller Literatur dazu angeschafft habe. Wie erwähnt lagere ich bereits eine Menge Bücher zu diesem Thema, ich hatte allerdings Sorge, dass bspw. ein 50 Jahre altes Astronomiebuch insbesondere dem Anfänger überholte Informationen liefern würde... Ich werde am Ende noch eine kleine Literaturliste mit haupstächlich aktuellen Titeln anfügen, die ich bis jetzt empfehlen kann. Das Manko bei dem von mir angeschafften Teleskop ist jedoch, dass sich dieses nicht dazu eignet Fotos zu machen. Hierfür wäre die oben genannte parallaktische Montierung notwendig gewesen, die so wunderbar wie unbezahlbar ist. Zwar könnte ich theoritisch am Okularauszug des Teleskops den selben T2-Kameraadapter benutzen, den ich auch am Mikroskop einsetze, jedoch sind in der Astrofotografie naturgemäß sehr lange Belichtungszeiten notwendig. Die Erde dreht sich, die Sterne stehen, man erhält Lichtstreifen. Eine parallaktische Montierung würde das Teleskop mit der scheinbaren Bewegung der Sterne "mitlaufen" lassen, bei einer Dobson-Montierung müsste dieses Nachziehen händisch erfolgen, ein Ding der Unmöglichkeit. Bedauerlicherweise werden im naturwissenschaftlichen Teilgebiet "Astronomie", das ich zukünftig sehr gerne als Aspekt dieses Fotoprojektes werten werde, also keine Fotografien entstehen, es liefert mir aber, einen weiteren, wenn nicht sogar den bis dato wichtigsten Blickwinkel dafür, wie die Natur für mich begreifbar wird. Auch der Gedanke, dass die eigene Welt in weiten Teilen nur mit mühevollen Reisen zu entdecken ist, während man andere Welten vom Balkon aus erleben kann, scheint mir recht interessant. Ob das vermehrte Verständnis des "Großen" und der Ferne einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Natur vor Ort nehmen wird, wird sich herausstellen und ich freue mich darauf, es zu erleben. Kann ein Blatt zu untersuchen noch reizvoll sein, wenn man sich nachts darin versucht, galaktische Nebel und Sternhaufen zu beobachten? Es heißt ja immer, es sei eine Charakterfrage, ob man sich an den kleinen Dingen erfreuen kann oder nicht...


Im Zusammenhang mit der Astronomie will ich auch gerne auf die Person aufmerksam, die der Dobson-Montierung ihren Namen gegeben hat: John Lowry Dobson (1915-2014). Dobson versuchte viele Jahrzehnte seines Lebens über, die Astronomie "demokratischer", also erschwinglicher und damit für alle erlebbar werden zu lassen. Er war Mitbegründer der sog. "Sidewalk Astronomers", einer zu Anfang lokal in San Francisco beheimateten Gruppe von Leuten, die versuchte, absolute Laien und zufällig vorbeikommende Passanten für die Astronomie zu begeistern, indem sie am Gehweg Teleskope aufstellte und dazu einlud, einen kurzen Blick zu riskieren. Ich persönlich denke, dass kaum ein besserer Ansatz zur Wissensvermittlung und Begeisterung für die Wissenschaften denkbar ist, als eben dieser in absoluter Unmittelbarkeit zu den Menschen. Völlige Freiheit von Institutionen für den Einstieg in ein Fach. Zur Person John Dobsons gibt es hier eine sehr gute Dokumentation auf youtube, in der auch sein angenehm trockener Humor schön zum Tragen kommt:


John Dobson: A Sidewalk Astronomer (2005)


Ansonsten: Meine Ausstellung "Praxisnaher Leichtsinn", die ich gegen Ende letzten Jahres im
Straubinger Weytterturm zeigen konnte, erfährt derzeit eine zweite Auflage im Neuen Kunstverein Regensburg und wird von der Presse sehr positiv aufgenommen, was mich natürlich freut. Ich danke an dieser Stelle nochmal den tapferen Besuchern der Vernissage, die aufgrund der Coronaauflagen draußen im Nieselregen warten mussten.



Kleine Literaturliste zur Astronomie:


- Dunlop, Storm:
Astronomie für Einsteiger (Kosmos Naturführer), Franckh, Stuttgart 1987


- Celnik, Werner E. / Hahn, Hermann-Michael:
Astronomie für Einsteiger, Franckh-Kosmos, 2020


- Roth, Günter D.:
Sterne und Sternbilder (BLV Naturführer), BLV 1998


- Herrmann, Joachim:
dtv-Atlas zur Astronomie, dtv (hier: 10. Auflage, 1990)


- Emmerich, Mark / Melchert, Sven:
Alles über Astronomie, Franckh-Kosmos, 2021 (für 15,-€ ein sehr günstiges und schönes gebundenes Buch!)


- Hawking, Stephen:
Kurze Antworten auf grosse Fragen, Klett-Cotta (6. Auflage, 2021) (Ich habe es bis jetzt zwar nur bis zur Hälfte gelesen, aber es scheint mir weitaus verständlicher zu sein als Eine kurze Geschichte der Zeit, ich würde es empfehlen.)


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