Nähe, Inszenierung, Regress zur Farbe, UTOPIA in Straubing

Die Ideen bzw. Themen rekapitulierend, die ich bisher in dieses Projekt aufnahm, machte ich mir in den letzten zwei, drei Tagen Gedanken darüber, an welchen Stellen ich vielleicht zu früh auf eine andere Sichtweise umgestiegen bin. Dahingehend meine ich, es geschah zum einen bei meinem Vorhaben, über die Farben der Natur als ebensolche nachzudenken und zum anderen beim großen Themenkomplex der fotografischen Nähe. Was die Nähe angeht, bin ich mir noch nicht recht schlüssig darüber, inwieweit ich innerhalb meiner Arbeit (und auch später bei der Präsentation der Arbeiten) die Begriffe "Mikro" und "Makro" differenzieren soll, da der Übergang zwischen ihnen schwammig zu sein scheint und sie zum anderen dabei auch noch recht prosaisch daherkommen. Diese Thematik werde ich also in den (hoffentlich bald kommenden) kalten Monaten nochmal besonders in Angriff nehmen, wobei mir vor allem vorschwebt, dabei mit Insekten zu arbeiten. Ich konnte ja im Zuge meiner Anschaffung des Mikroskops einen sehr guten Biologieversandhandel ausfindig machen, sodass ich bei der Beschaffung des dafür notwendigen Zubehörs auf keine Probleme stoßen sollte.


Um in der Arbeit mit Nahlinsen wieder Fuß zu fassen, habe ich heute eine kleinere Reihe Aufnahmen gemacht (siehe unten). Da bei solcher Art Nahaufnahmen häufig Farbsäume an den Hell-Dunkel-Übergängen entstehen und ich noch kein probates(!) Gegenmittel dafür gefunden habe (in vielen Fällen liegt es leider am Schliff der Linsen selbst), habe ich mich entschieden, diese Handvoll Aufnahmen in Schwarz-Weiß umzuwandeln, um den ungewollten Effekt ein wenig zu umgehen. Das brachte den Vorteil mit sich, dass die ungewohnte Morphologie des Falters nun viel "haptischer" erschien, somit also garnicht mal als Kompromiss der Umstände gesehen werden muss. Alles hat seine Vor- und Nachteile.


Da ich während der Arbeit mit dem Falter noch eine Reihe von Blüten und Blättern vorbereitet hatte, kam mir unweigerlich der Gedanke, den Falter zu inszenieren. Was mich erstmal davon abhielt, war ein deplatziertes Gefühl der Pietät. Deplatziert deshalb, weil ich ihn zum einen tot aufgefunden hatte, zum anderen weil für mich auch kein Problem besteht, eine Mücke zu erschlagen und ich mich somit nur in falscher Moral ergangen hätte. Wobei anzumerken ist, dass ich auch in Zukunft keine Falter, Libellen, Käfer und dergleichen für ein Fotoprojekt verwenden möchte, die nicht ohne mein Zutun starben. Wer vielleicht ein altes Bestimmungsbuch aus den 50er oder 60er Jahren zu Hause hat und dort das Kapitel über die Präparation lebend gefangener Insekten liest, wird wissen, wie grausam dieser Vorgang abläuft. Das möchte ich nicht, selbst wenn es bedeutet, dass manche der Insekten Spuren von Nekrose aufweisen. Dann ist das eben so. Davon unabhängig ist es ganz interessant darüber nachzudenken, eine Inszenierung aus rein natürlichen "Bestandteilen" herzustellen. Auf welche Weise würde sich dem Rezipienten erschließen, was Natur und was Inszenierung, also Kultur, darstellt? Ein geschulter Biologe könnte wohl feststellen, dass der Falter auf einer für ihn untypischen Pflanze sitzt, er könnte sicher auch die erwähnte Nekrose bemerken und darum zurecht behaupten, tote Falter säßen eben nicht mehr fest auf Pflanzen, sondern lägen von Natur aus am Boden herum. Ich glaube, man gelangt damit wieder zum sehr eigenwilligen Thema der Renaturierung zurück, über deren Wesen ich mir immer noch Gedanken mache. Nachwievor meine ich, dass sie die große Tangente unserer Tage zwischen Mensch und Natur zeichnet, mittels derer man sich und seinen speziellen zivilisatorischen Platz auf der Welt erschließen könnte. Das Thema der Naturinszenierung wird deshalb im Auge behalten, es hat Potential.


Wie im ersten Absatz erwähnt, will ich mich auch wieder vermehrt mit der natürlichen Farbpalette beschäftigen. Mir schwebt dabei vor, Blütenblätter von vorne zu be- und von hinten zu durchleuchten (hinteres Licht etwa bei 70% der vorderen Lichtstärke), um möglichst die volle Chromatizität erfassen zu können. Ein sehr sauberer Weißabgleich bei der Aufnahme und ein brauchbares ICC-Profil beim Druck sind dabei natürlich obligatorisch, ansonsten wäre das ganze Vorhaben ad absurdum geführt. Das Technische betreffend würde es meiner Ansicht nach Sinn machen, eine Art Trichter aus weißem Papier herzustellen, an dessen vorderem, schmalem Ende das Blütenblatt drapiert wird, wobei das Licht der hinteren Beleuchtung durch die nach hinten zeigende größere Öffnung eintritt, sich auf dem Weg zum Blatt hin etwas "aufweicht" und durch die Reflektionen am Papier dennoch nicht abschwächt, sich je nach Papiersorte vielleicht sogar etwas potenziert. Bisher ist das nur eine Idee von mir, ich werde sie aber demnächst austesten. Eine kleine Skizze -zum besseren Verständnis- findet sich hier weiter unten.


Am 11.09.2022 beginnt in meiner Heimatstadt Straubing das Kulturfestival "UTOPIA", an der (mit zwei Fotoarbeiten) mitzuwirken ich die Ehre habe. Eine wichtige Veranstaltung für Straubing und seine Kulturschaffenden. Hier ein Link mit allen wichtigen Infos:


https://www.straubing.de/entdecken-erleben/veranstaltungen/utopia/index.html

Foto 1: 55mm, F/32, 0.6 Sek., ISO-100, Nahlinse 10-fach
Foto 2: 55mm, F/32, 0.6 Sek., ISO-100, Nahlinse 10-fach
Foto 3: 55mm, F/32, 1/3 Sek., ISO-100, Nahlinse 10-fach


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