Das Gehirn, die Natur und Hundertwassers Weitblick

Es ist eine seltsame urdeutsche Ansicht, dass Arbeit grundsätzlich so beschaffen zu sein hat, den Arbeitenden zu fordern und zu ermüden, da ansonsten keine "echte" Arbeit vorliege, sondern lediglich geschäftige Freizeit. Gott sei Dank teile ich diese Ansicht in keinster Weise und habe darum mittlerweile an mir selbst beobachten können, dass ich meine Fotoarbeit in der freien Natur recht selbstverständlich mit Erholung und Gesundheit in Verbindung bringe. Bei meinem letzten "Ausflug" war dies besonders zu spüren; ich weiß nicht wieso und weshalb gerade bei diesem, aber ich bemerkte deutlich, wie ich entspannen und dabei Sorgen und "Nachrichtenlage" vergessen konnte. Wieder zu Hause kam mir ein kurzer Rundfunkbericht zurück in den Sinn, der vor einigen Monaten im Radio lief und den ich damals als hochspannend wahrnahm und dieses Projekt betreffend mittlerweile als sehr relevant einschätze.


Diesem Bericht über eine Studie des Max-Planck-Instituts zufolge, wirke sich die Beobachtung der Natur positiv (im Sinne einer heilenden Wirkung) auf das menschliche Gehirn aus. Dieses Phänomen wäre derart fest in der Beziehung zwischen Mensch und Natur verankert, dass es bereits ausreiche, lediglich eine
Abbildung von Natur zu betrachten, um diese regenerativen (bzw. konstruktiven) Vorgänge im Gehirn auszulösen. Eine Onlinerecherche nach dieser Studie ergab leider nicht allzu viele Treffer, ein kurzer Artikel dazu ließ sich aber dennoch finden:


Ein Spaziergang fürs Gehirn


Die Pilotstudie fand also heraus, dass der Aufenthalt in (oder eben die Beobachtung) der Natur sich auf Konzentration, Arbeitsgedächtnis und die Psyche im Allgemeinen positiv auswirke und das
unabhängig von anderen Einflüssen, die mit einem Aufenthalt im Freien normalerweise einhergehen. Konkret vergrößert sich das Volumen der Grauen Hirnsubstanz in einem hinter der Stirn befindlichen Bereich der Großhirnrinde. Die Verringerung dieser Grauen Hirnsubstanz wiederum wird mit psychiatrischen Störungen bzw. auch sogenannten Zivilisationskrankheiten in Verbindung gebracht.


Für mich als Nicht-Hirnforscher klingt das nahezu fantastisch. Als Künstler fallen mir dazu aber unweigerlich die Gedanken Hundertwassers ein, der den Ergebnissen dieser Studie gewissermaßen um Jahrzehnte zuvorkam. So sprach er bereits 1958 in seinem
Verschimmelungsmanifest davon, dass der geraden Linie (also dem von ihm gewählten Symbol einer naturfernen Kultur) kein menschlicher Geist innewohne, auch der Ausdruck "widernatürlich" findet in diesem Aufsatz Anwendung, die menschliche Seele gehe daran zugrunde. Nun mag man von Hundertwassers energischer Ausdrucksweise halten was man will, der Umstand aber, dass die Wissenschaft den Kerngegenstand einer bereits bestehenden künstlerischen Überlegung empirisch bestätigen konnte, ist bemerkenswert. Leider ist man in den letzten Jahren tendenziell dazu übergegangen von Hundertwasser nur noch schöne Wandkalender zu kaufen, ich möchte jedoch empfehlen, sich auch (wieder) mit seinen Theorien intensiv zu beschäftigen. Und auch öfter mal rauszugehen, um deren Wahrheitsgehalt selbst zu prüfen.

Foto 1: 55mm, F/5.6, 1/800 Sek., ISO-100
Foto 2: 55mm, F/5.6, 1/800 Sek., ISO-100

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